Sonntag, 17. August 2014

Der Autobahnschützenprozess geht am Montag in die Dritte Runde

Die vorgeworfenen Taten

Dem Angeklagten K. wird vorgeworfen seit 2008 ca. 700 mal auf andere Verkehrsteilnehmer als auch auf parkende Autos geschossen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat davon 150 Fälle zur Anklage gebracht.

Außerdem soll er Nagelplättchen hergestellt und auf Straßen verstreut haben.

Die Waffen
Eine russische Militärpistole
vom Kaliber 9 mm Luger 

Eine der verwendeten Waffen ist eine alte russische Militärpistole, Kaliber 9mm Luger, die der Angeklagte
nach eigenen Angaben, von einem russischen Offizier beim Abzug der Roten Armee aus Ostdeutschland gekauft hat. Die andere Waffe, eine .22 Kleinkaliberpistole, bastelte er sich in seiner hauseigenen Werkstatt selbst. Außerdem stellte er Schalldämpfer für beide Waffen her, sowie einen sogenannten Schießkugelschreiber zur Selbstverteidigung.

Die Munition stellte er, zumindest teilweise, ebenfalls selbst her. Aus Schrotpatronen entfernte er das Schießpulver, stopfte es in eine 9mm Hülse, die er mit einen Zündhütchen versehen hatte und verschloss die Hülse mit einem entsprechenden Projektil. Dieses Prozedere wählte er, da eine 9mm Patrone auf dem Schwarzmarkt ca. 1 € kostet, wohingegen man aus den billigeren Schrotpatronen mindestens drei 9 mm-Patronen herstellen könne.

Die Opfer

Hauptsächliches Ziel des Angeklagten waren Autotransporter. Er visierte dabei immer das hintere obere Fahrzeug an, um zu vermeiden, dass andere Verkehrsteilnehmer getroffen werden. Zum Teil schoss er auch auf ihn überholende LKW. Dort schoss er auf die untere Seite der Hintertür, wenn der LKW den Überholvorgang gerade abgeschlossen hatte.

In einem Fall wurde eine Autofahrerin von einem Querschläger am Hals verletzt. Sie schrammte an der Leitplanke entlang, bevor sie das Auto zum stehen brachte.

Außerdem schoss er einmal aus seinem PKW auf parkende Autos.

Durch die ausgelegten Nagelplättchen entstanden keine größeren Sach- und Personenschäden.

Die Ermittlungen

Die Ermittlungen der KriPo, später des BKA, blieben lange erfolglos. Fahndungsplakate brachten genauso wenig, wie ein Aufruf in der Fernsehsendung  Aktenzeichen XY. Auch 100.000 €, die als Belohnung für einen erfolgreichen Hinweis ausgelost wurden, behielt die Polizei letztentlich. Ihr gelang es den Angeklagten durch eine Kombination aus automatischer Kennzeichenüberwachung an Autobahnen und einer Handy-Funkzellenanalyse zu identifizieren. Der Angeklagte war in den wesentlichen Punkten geständig und führte die Polizei zu den Waffen, die sie bei der Hausdurchsuchung übersehen hatten. Diese hingen, in schwarzer Plastikfolie eingewickelt und mit Fleischerhaken befestigt, in einer 1.50 m hohen und 1 m breiten Hecke. Beim Abgehen dieser Hecke hatte die Polizei diese nicht entdeckt.

Die Anklage

Die Anklage lautet, neben Gefährdung des Straßenverkehrs und Verstößen gegen das Waffengesetz, versuchter Mord. Sie stützt sich dabei auf das Mordmerkmal der Heimtücke und bezüglich des Vorsatzes auf das Konstrukt des dolus eventualis.
Anmerkung für Nicht-Juristen: Die Unterscheidung von Mord und Totschlag erfolgt, entgegen landläufiger Meinung, nicht anhand der Frage ob die Tat geplant war. Totschlag ist grundsätzlich einmal jede gewollte Tötung eines anderen Menschen (unabhängig davon ob er jetzt tatsächlich totgeschlagen, erschossen oder vergiftet wurde). Der Totschlag wird zum Mord, wenn ein bestimmter Umstand oder ein bestimmtes Motiv mit dazu kommt. Diese sind in § 211 II des Strafgesetzbuches genannt:
"Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet."
Dass die Tötung heimtückisch war, wäre auf jeden Fall zu bejahen, wenn K. gezielt auf andere Autofahrer geschossen hätte. Diese wären im Augenblick des Angriffs arg- und wehrlos (allgemein anerkannte juristische Definition des Mordmekrmals der Heimtücke). Jedoch hat K. in keinem der 700 Fälle einen Menschen getötet und es ist fraglich, ob er das wollte. K. bestreitet jemals einen Menschen töten oder auch nur verletzen zu wollen. Dafür spricht, dass er stets auf das oberste hintere Auto auf den Autotransportern schoss. Den Querschläger, durch den eine Frau am Hals getroffen wurde, bereute er zutiefst und legte seine Waffen, nachdem er später von dem Vorfall erfuhr, ersteinmal zur Seite.

Die Staatsanwaltschaft argumentiert, er habe den Tod anderer Menschen billigend in Kauf genommen, als er auf die Transporter schoss. Die Formulierung etwas billigend in Kauf genommen zu haben benutzen Juristen immer dann, wenn der Täter weder den Unrechtserfolg eines Straftatbestands wollte, noch wusste, ob dieser eintreten wird, der Jurist aber trotzdem einen Vorsatz hinsichtlich des Taterfolgs braucht. Denn jeder Mord und jeder Totschlag setzt Vorsätzlichkeit voraus.

Fällt der Vorsatz weg, bleibt nur fahrlässige Tötung. Vorliegend ist aber kein Mensch getötet worden. Soetwas wie eine versuchte fahrlässige Tötung kann es begriffsnotwendiger Weise nicht geben, denn beim Versuch wird der Vorsatz bestraft, der aber nicht zum Taterfolg führte. Bei der Fahrlässigkeit wird hingegen ein Taterfolg bestraft, der nicht von einem Vorsatz getragen war. Damit schließen sich Fahrlässigkeit und Versuch gegenseitig aus.

Die Anklage des Staatsanwalts wegen versuchten Mordes bewegt sich auf sehr dünnem Eis. Dennoch kann der Staatsanwalt nicht allzu tief fallen, denn der geständige Angeklagte erfüllte zweifellos eine ganze Reihe anderer Straftatbestände, die sich einmal quer durch das StGB ziehen.

Die Verteidigung

Die Verteidigung beschränkte sich bisher vor allem auf einen Beweisverwertungsverbotsantrag hinsichtlich der KFZ-Kennzeichenerfassung und der Funkzellenanalyse. Die Ergebnisse beider Maßnahmen sind, neben dem Geständnis des Angeklagten, die wichtigste Stütze für die Anklage der Staatsanwaltschaft. Sollten diese Maßnahmen rechtswidrig gewesen sein, und dies zu einem Beweisverwertungsverbot führen, könnte die Anklage wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen, falls der Angeklagte sein Geständnis zurück zieht...

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